Das Prozeltener Urbar des Deutschen Ordens von 1379
 
Wahrscheinlich war es der Einfluß der Wertheimer Grafentochter Elisabeth, gräfin von Hohenlohe der die Entwicklung der Deutschordenskommende Prozelten ermöchlichte und damit auch Breitenbrunn in den Besitz des Deutschen Ordens brachte. Elisabeth war die mittlere der schon genannten drei Töchter des Grafen Poppo IV. von Wertheim. Sie war 1260 geboren und hatte 1284 den Grafen Gottfried von Hohenlohe geheiratet. 1285 wurde ein Sohn geboren. Gottfried von Hohenlohe verstarb, vermutlich durch einen Unfall, 1290. Noch im gleichen Jahr verstarb auch ihr Sohn. Elisabeth von Hohenlohe heiratete nicht mehr. Sie verkaufte und schenkte dem Deutschen Orden um 1319 Teile ihres reichen besitzes in Neubrunn und Prozelten. 1328 siftete Elisabeth auch die Kartause Grünau. Wenige Jahre später, 1335, verstarb sie im hohen Alter von 75 Jahren.
Im Jahr 1379 legte der Deutsche Orden ein Zins- und Gült-Register an, in dem alle Abgaben und Rechte des Ordens im Bereich Prozelten aufgezeichnet sind. Dieses Urbar wird im Stadtarchiv von Stadtprozelten verwahrt. Es enthält neben der Art und Höhe der Abgaben auch die Namen der Untertanen, auch die von Breitenbrunn.
 
"Die Deutschordenskommende Prozelten erhält jährlich folgende Abgaben aus Breitenbrunn: Hellerzins (Geldabgabe) für Wiesen, Hofrieten, Bäume und Lehen; Korngült (Getreidereichnis) für Äcker und Wiesen; Wachsgült (für Kerzen in den Kirchen; da keine weiteren Angaben, scheint diese Gült von jedem Einwohner erhoben worden zu sein); Fastnachtshühner für Hofrieten, Güter und Lehen; schließlich Sommerhühner für Wiesen, Äcker, Lehen und Hofrieten. Außerdem war der Deutschordenskomtur zu Prozelten Gerichtsherr zu Breitenbrunn. In den Dörfern des Amtes Prozelten "Sin wir Faut (=Vogt) Vnd Herren vnd oberster Richter vnd mogen gerichte do haben wan wir wollen. Auch sollen sye suchen dye Zente in vnser stat Brotselden glycherwise vnd mit allen rechten als sye gyngen vnd suchten dye Zente zu der Eyche." Inzwischen war also die Cent Prozelten errichtet und von der Cent zur Eiche abgetrennt worden. An diesem Landgericht wurde geurteilt über Mordgeschrei, Notzucht, fließende Wunden, Diebstahl und Zauberschelten. Kleinere rechtsfälle kamen vor das Dorfgericht Breitenbrunn." (Störmer 1983).
 
"Im Zins- und Gültregister der Deutschordenskommende Prozelten vom Jahr 1379 können wir uns erstmalig informieren über die Einwohner des Ortes Breitenbrunn in der zwieten Hälfte des 14.Jahrhunderts. Insgesamt werden hier 26 Personen genannt, die an das Deutschordensaus zu Stadtprozelten Abgaben zu leisten, also nach heutigen Vorstellungen eine Art "Grund- und Vermögenssteuer" zu zahlen hatten. Wir werden annehmen dürfen, daß es sich dabei in der Regel um Haushaltsvorstände handelt, so daß wir 1379 mit rund 25 Familien in Breitenbrunn zu rechnen haben. Dem entspricht, daß wir immerhin in diesem Zins- und Gültregister 24 verschiedene Breitenbrunner Familiennamen begegnen: Fridrun, Gysubel, Hirte, Kranke, Kreß, Kummer, Kunelin (d.h.heute etwa Kühnlein), Meister (wohl verschrieben für Meister, zumal auch eine Meisterin, d.h. Gemahlin eines Meisters vorkommt), Metzeler (=Metzger), Neckermann, Ranke, Rote (vgl.heute den Familienname Roth), Salzmann, Schoffmann (d.h. wohl Schäfer), Schurger, snyder (=Schneider), Stahel (heute Stahl), Strolin, Wegener, Wener, Wernher, Zecke, Zimpfe.
Das heißt nun aber nicht, daß damals die Verwandtschaft unter der Breitenbrunner Bevölkerung noch keine Rolle gespielt habe. Das 14.Jahrhundert ist ja jenes Jahrhundert, in dem sich die ehemaligen Beinamen und Übernamen erst zu Familiennamen verfestigten.
 
Ganz im Gegensatz zu den vielfältigen Familiennamen steht die Anzahl der Breitenbrunner Personennamen (Vornamen) in unserer Quelle: Berchte=wohl Bertha, Berthold, gerhard, Hans und Johann, Heinz, Cunz (besonders häufig), Siegfried, Sybot, Syze (wohl identisch mit Sybot), Werner ...
Die Zusammenstellung des Prozeltener Zins- und Gültregisters sind verständlicherweise nicht unter dem Aspekt angelegt, die einzelnen Familien Breitenbrunns und deren Besitz zu erfassen. Die Verwaltung ist vielmehr an den Abgaben interessiert. Wir haben daher versucht, je Person alle Abgaben und Angaben zum Besitz zusammenzufassen. Dabei haben wir folgende Abkürzungen gewählt:
 
FH
SH
G
HR
HSt.
Fastnachtshuhn
Sommernachtshuhn
Gut
Hofreit
Hofstatt
 
hl
Schil.
ML
Sr
Maß- und Geldangaben:
Heller
Schilling
Malter
Simer

Name Fastnachtshühner Heller-Zinse Korngült Sommerhühner
Heinz Zecke 2 FH v. 2 HR 18 Schil.hl v. 2 HR 1 Pfd.hl. v. 1 Wiese 1 Sr.Korn v.1 1/2
Wiesen und Anteil an
"unser grosz wisen"
Gerhart Hyrte 1 FH v. 1 HR     1 SH v. 1 HR
Cuncze Kranke 1 FH v. 1 HR     2 SH v. 1 G
Johan Zimpfe 1 FH v. 1 G 1 Pfd. hl. v. 1 G   1 SH v. 1 G
Berhtolt Neckermann 1 FH v. 1 HR 11 Schil. hl. v. 1 HR   1 SH v. 1 HR
Hans Snyder 1 FH v. 1 HR 11 Schil. hl. v. 1 HR   1 SH v. 1 HR
Heincz Schoffmann 1 FH v. 1 Lehen 30 Schil. hl. v. 1 Lehen    
Berchte Meysterin 1 FH v. 1 HR     3 SH v. 1 Acker
1 SH v. 1 HR
(hier:Heincze Meyster)
Strolin 1 FH v. 1 HR     2 SH v. 1 HR
Cunzce Wner 2 FH v. 2 halben Lehen      
Kresinne 1 FH v. 1 HR 5 Schil. hl. v. 1 HR
(hier: Kresze)
  2 SH v. 1 HR
Werher Kummer 2 FH v. 1 halben Lehen 15 1/2 Schil. 4 hl. v. 1 HR   1 SH v. 1/2 Lehen
Heincze Cuemer 1 FH v. 1 drittel Lehen 7 1/2 Schil. hl. v. 1 HR   1 SH v. 1/3 Lehen
Cuncze Meczeler 2 FH v. 2 halben Lehen 11 Schil. 8 hl. v. 1 HR
16 Schil. hl. v. 8 Morg.
Acker und 1/2 Morgen Wiesen
1/2 ML Korn, 1/2 ML Hafer v. 8 Morgen Acker und 1 Morgen Wiesen 2 SH v. 2 Lehen
Cuncze Rancke 1 FH v. 1 Lehen 28 Schil. hl. v. 16 Morg.
Acker und 1 Morgen Wiesen
1 ML Korn, 1 ML Hafer v. 16 Morg. Acker und 1 Morg Wiese 1 SH v. 1 Lehen
Sycze Schuerger 1 FH v. 1 HSt. 4 Schil. hl. v. 1 HR    
Heintze ernher 1 FH v. 1 halben Lehen      
Sybot Gysubel   4 Pfd. hl. v. 1 Wiese    
Wernher Kunelin   2 x 5 1/2 Schil. hl. v.1 HR    
Hans Rote   8 hl. v. 1 Wiese   2 SH v. ?
Heincze Wegener   2 x 40 hl.v. 2 halben Lehen    
Cuncze Meinster   2 Schil hl. v. 1 HR    
Cuncze Salczman   12 Schil. hl. v. 1 HR    
Cuncze Stahel   10 Schil. hl. v. 1 Wiese    
Syfrid Unger       1 Gans v. 1 G
Cuncze Fridrune       2 SH v. 1 Wiese
2 SH v. 1 Acker

Erst wenn man sich die Mühe macht, die Angaben des Zins- und Gültregisters nach den Personen also den Abgabepflichtigen, zu koordinieren, kann man auch die wirtschaftlichen Verhältnisse Breitenbrunns um 1379 einigermaßen übersehen. Im Gegensatz zu Faulbach heißen hier die bäuerlichen Objekte nicht Huben, sondern Lehen. Dies ist nicht nur eine willkürliche Namensänderung, sondern hat durchaus mit dem Rechtsstand der landwirtschaftlichen Betriebe zu tun. In den Rodungsdörfern des Spessarts, die seit dem 12. Jahrhundert angelegt wurden, haben die Rodungsherren bäuerliche "Lehen" geschaffen, die in einem gewissen gegenseitigen Vertragsverhältnis zum Grundherrn standen. Da man hier relativ planmäßig rodete und dementsprechend das Ackerland möglichst gleichmäßig aufteilte, dürfte die Bezeichnung Lehen auch ursprünglich wenigstens ungefähr einer landwirtschaftlichen Betriebsgröße entsprochen haben.
Was aber im Falle Breitenbrunns besonders auffällt, ist die Tatscache, daß nur noch von zwei ganzen Lehen die Rede ist (im Besitz von Heinz Schoffmann und Cunze Ranke). Darüber hinaus haben Cunze Wegener, Cunze Wener (identisch mit Wegener?) und Cunze Meczeler je zwei halbe Lehen, die möglicherweise ursprünglich eine Einheit waren. Wegener, Wener und Meczeler können das zweite halbe Lehen aber auch von einem anderen Dorfgenossen, der nicht mit ihnen verwandt war, erkauft haben. Werner Kummer und Heinz Wernher haben je ein halbes Lehen, Heinz Cumer (Kummer) nur ein drittel Lehen. Es fragt sich, wo die anderen beiden Drittel geblieben sind. Sie werden nicht erwähnt.
 
Die Aufteilung der alten Rodungslehen hat also schon kräftig begonnen, viel stärker als etwa gleichzeitig in Altenbuch. Jeder wollte miterben; also wurde der Besitz geteilt und damit aufgesplittert. Zählt man die Breitenbrunner Lehenskomplexe zusammen, so ergibt scih, daß der Ort höchstens aus dieben Voll-Lehen bestand, falls nicht noch andere Grundherrschaften Bauernlehen zu vergeben hatten. Da letzteres nicht wahrscheinlich ist, dürften die rund sieben Lehen den ursprünglichen Bestand Breitenbrunns ausgemacht haben.
 
Daneben gab es in Breitenbrunn 1379 noch ein bäuerliches "Gut", von dem wir aber nicht genau sagebn können, was es in seiner Substanz war.
Zehn Breitenbrunner Personen (Haushaltsvorstände) haben nach diesem Zins- und Gültregister 1379 überhaupt nur eine Hofreit (Haus mit Hofraum), also lediglich ein Dach über dem Kopf, aber keine Äcker und Wiesen. Nur einige besaßen über ihre Hofreit hinaus noch ein paar Äcker und Wiesen. Die Frage, wovon diese Menschen lebten, drängt sich auf.
 
Sie kann aber nicht schlüssig beantwortet werden. Möglicherweise hatten sie bei anderen Grundherren etwas Ackerland gepachtet, vielleicht arbeiteten sie auf dem Gußhof als Gesinde, vielleicht waren sie Handwerker. Jedenfalls gewinnt man den Eindruck, daß zumindest die Hälfte der Breitenbrunner Bevölkerung in der zweiten Hälfte des 14.Jahrhunderts in sehr bescheidenen Verhältnissen lebte.
Das Prozeltener Zins- und Gültregister von 1379 macht noch weitere Angaben über Breitenbrunn:
Zunächst wird angesprochen der Hof, den Gysubel baut (offensichtlich der Gußhof), und zwar um das "halbteil". Er erbringt dem Deutschen Orden jährlich durchschnittlich 40 MAlter Korn (Rogen) und 15 Malter Hafer. Das "Halbteil" bedeutet, daß der Hofpächter Gysubel die Hälfte seines Ertrages an den Grundherrn, also den Deutschen Orden zu Stadtprozelten, abliefern mußte".
 
Außerdem erfährt man, daß "der Grundherr in Breitenbrunn noch zwei Fronwiesen hatte, nämlich die sog. "Große Wiese", die 15 Morgen umfaßte, und die "Wiese beim Dorf" mit 8 Morgen. Über diese große Wiese wurde eine genaue Frondienstanweisung in das Zinsbuch geschrieben. Demnach sollten in Ernte- und Wiesenpflegezeiten die Breitenbrunner von Montag früh bis Mittwoch morgens auf der Wiese arbeiten, dann die Faulbacher bis Donnerstag mittag, aber am Freitag morgen die Erben der "Weinzler" (möglicherweise sind die bäuerlichen Weinbergbesitzer gemeint), am Samstag früh dagegen der Spitalmeister zu Stadtprozelten. Wer diese Ordnung nicht einhält, der soll dem Deutschordenskomtur einen halben Gulden strafe zahlen. Das ist zweifellos eine hohe Strafe." (Störmer 1983).


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