Die Ereignisse um Breitenbrunn

 
Für das, was nun in Breitenbrunn am Ostersonntag und am Ostermontag geschah, stellen dei Aufzeichnungen des Pfarrer Marquard die wohl wichtigste Quelle dar. Der Bericht findet sich im Verkündbuch der Lokalkaplanei Breitenbrunn-Neuenbuch:

"Die letzten März- und die ersten Apriltage werden für Breitenbrunn unvergeßlich bleiben. Die Amerikaner hatten etwa Mitte März bei Worms den Rhein überschritten und näherten sich rasch dem Untermain, überschritten ihn bei Wörth und Aschaffenburg. In der Nacht von Gründonnerstag auf Karfreitag früh 3.30 Uhr hörte ich eine Granate heulen, die vor Faulbach einschlug. Wir gingen in den Keller. Gegen Morgen besuchte ich eine Anzahl Keller im Oberdorf und spendete die allgemeine Lossprechung. Etwa 12 Granaten gingen östlich Neuenbuch nieder, eine Anzahl in der Nähe von Altenbuch.
 
In der Nacht von Karfreitag auf Karsamstag, etwa 1.30 Uhr beginnend, gingen etwa 12 Granaten über uns weg in den Wiesengrund östlich Breitenbrunn. Soldaten, dann auch gefangene Russen, waren durchs Dorf in den letzten Tagen gekommen.
 
Am Ostersonntag mittag etwa 12.45 Uhr fuhren amerikanische Spähwagen durch Stadtprozelten nach Faulbach. Da trafen im Laufe des Nachmittags von Hasselberg ein Leutnant, ein alter General (Gaul aus Reistenhausen) mit etwa 30-40 Soldaten hier ein, die beim Gußhof, am Waldrand westlich von Breitenbrunn "auf dem Sandhügel" sich festsetzten. Abends etwa 9.30 Uhrkamen einige amerikanische Spähwagen am Dorfeingang an. Der Anführer verlangte den Bürgermeister zu sprechen. Dieser kam. gefragt, ob deutsche Soldaten im Dorf seien, sagte er: "Nein." Während er noch redete, fielen ein paar Schüsse aus dem Dorf, kurz danach wurde eine Handgranate geworfen. Darauf sagte der amerikanische Spähtruppführer: "Nun wird das Dorf zusammengeschossen."
 
Bald begann das Artilleriefeuer und dauerte die ganze NAcht. Früh Ostermontag, etwa 7.00 Uhr kam amerikanische Infanterie langsam durchs Dorf und schickte einen Teil der Leute fort ins nächste Dorf.
Beim Verlassen des Dorfes brannte es an 2 Stellen (Scheune von Thomas Glock und Klara Kohlmann und bei Brigitta Zwieseler und Frieda Hörnig). Im Laufe des Tages wurden noch eine Anzahl Handbrandkörper geworfen, so daß im ganzen 5 Wohnhäuser und 12 Scheunen abbrannten. Ein Wohnhaus war durch die Beschießung ganz eingestürzt, ein zweites innen durch Granattreffer stark demoliert. Zum Glück hatten die Leute vom Oberdorf dableiben dürfen. Sie haben die Brände bekämpft und lokalisiert, so daß weitere schwere Schäden vermieden wurden. Die Fortgezogenen waren zum größeren Teil nach Stadtprozelten gegangen. Von da kehrten wir im Laufe des Vormittags des Osterdienstages wieder zurück.
Das Kaplanei-Haus hate einige Ziegel kaputt und einige Infanterie-Treffer und Fensterscheiben. Laus Deo!
 
Ergänzungen:
Ostermontag, 02.04.1945 - Breitenbrunn kein Gottesdienst wegen Beschießung
Freitag, 06.04.1945 - Herz-Jesu-Freitag. 7.00 Uhr Beerdigung mit anSprache von 3 Soldaten, die in und bei Breitenbrunn gefallen waren. Anschließend Seelenamt."

Auch der Obmann der Breitenbrunner Feldgeschworenen Otto Rohe hielt die Ereignisse in seinem Tagebuch am 11.2.1946 fest, also mit einer Zeitverzögerung von fast einem Jahr:
"...Der 1.und 2.April 1945 (Ostern), war für unseren Ort ein schwarzer Tag. Am NAchmittag kam ein kleiner deutscher Soldatentrupp um den Ort zu verteidigen. Gegen Abend kam ein amerikanischer Offizier, und hielt bei der Kirche an, und er verlangte unseren Bürgermeister. Dieser, anstatt die Wahrheit zu sagen, gab unter Eid an, das Dorf sei nicht besetzt. Kaum gesagt, fiel ein Schuss, und ein Amerikaner stürzte zu Boden. Nun sollte der Ort in Schutt und Asche gelegt werden. Die Artillerie, die oberhalb Stadtprozelten aufgezogen war, schoss nun die ganze Zeit auf das Dorf. Gegen Morgen kam die Infanterie. Zum Glück rissen unsere Soldaten gleich aus, sonst wäre das ganze Dorf verloren gegangen. 7 Wohnhäuser und 13 Scheunen wurden ein Raub der Flammen. Mehrere Wohnhäuser waren so schwer beschädigt, dass sie nicht mehr bewohnt werden konnten. Leichter beschädigt waren fast alle Wohnhäuser. Dieses Unglück haben wir unserem Nazibürgermeister Kohlmann zu verdanken. er wurde im Juni von den Amerikanern abgesetzt. An seien Stelle kam Josef Fecher, der aber nur zwei Monate im Amt war, weil er bei der Partei war. Nun wurde unser Kollege Otto Löber Bürgermeister. Am 27.Januar 1946 war dann wieder Bürgermeisterwahl, wo derselbe mit großer Stimmenmehrheit wiedergewählt wurde."

Der Bericht des Pfarrers Beck aus Stadtprozelten vom 15.Juni 1945 basiert wohl nur auf Kenntnissen, die er durch Hörensagen erlangte, jedoch soll er der Vollständigkeit halber, und da er zeitlich relativ nach am Geschehen liegt, hier angeführt werden:
"In Breitenbrunn leistete General Gaul Widerstand und schoss einen leeren Panzerspähwagen, dessen Mannschaft den Bürgermeister Kohlmann nach deutschen Truppen vernahm, ab. Bürgermeister Kohlmann hatte die Frage nach der Anwesenheit deutscher Truppen verneint. Die Amerikaner glaubten sich betrogen, drohten die Gemeinde zusammenzuschießen und haben in der Nacht von Ostern auf Montag von der Brasselburg aus da Dorf beschossen und einige Häuser und viele Scheunen in Brand geschossen. Die Kirche bekam einen "glücklichen" Treffer in die Empore, das Pfarrhaus hatte einige geringe Schäden, die 3 Häuser um die Kirche sind total zerstört. - In Breitenbrunn fielen 3 deutsche Soldaten und wurden dort katholisch beerdigt. Der Lokal Kaplan P.Wendelin Marquard kam mit seiner Haushälterin ... hierher übernacht, weil Breitenbrunn niedergebrannt wrden sollte."

Durch Aussagen von Zeitzeugen, die im Spätsommer 1999 gemacht wurden, sollen einige Sachverhalte verdeutlicht werden:

Wann kamen die ersten amerikanischen Soldaten nach Breitenbrunn ?

Am Abend des Ostersamstag, die Angaben des genauen Zeitpunktes schwanken zwieschen 21 und 22 Uhr, tauchten die ersten amerikanischen Spähwagen am Ortseingang auf. Es waren keine eigentlichen Frontsoldaten, die waren schon auf dem Weg nach Marktheidenfeld, sondern Soldaten einer Nachschubeinheit, die am Nachmittag in Faulbach eingetroffen waren und die Besetzung Breitenbrunns nur noch für eine Formsache hielten.

Das Gespräch an der Linde

Die US-Truppen hielten an einem der ersten Häuser an und ließen sich zum Bürgermeister führen. Bürgermeister Kohlmann befand sich zusammen mit Max Haas an der Linde. Es ließ sich nur eine Augenzeugin finden, die selbst bei diesem Gespräch dabei war und die Informationen darüber nicht vom Hörensagen hatte. Der amerikanische Spähtruppführer fragte, ob deutsche Soldaten im Ort seien. Nun machten Kohlmann und Haas unterschiedliche Aussagen und fielen eineander ins Wort. Daraufhin sagte der Amerikaner in gebrochenem Deutsch: "Nicht zwei sprechen nurn einer spricht!" Kohlmann wollte mit "Nein" antworten aber während er dies sagte, fielen die ersten Schüsse, die aus der Richtung des Anwesens Münch gekommen sein mußten. Auch ein Spähwagen wurde fahrunfähig geschossen. Die Amerikaner zogen sich schleunigst zur Brasselburg zurück und drohten, den Ort durch Artilleriefeuer in Schutt und Asche zu legen. Kohlmann kann, wie auch das Urteil des Entnazifizierungsverfahrens bestätigt, nicht die alleinige Schuld am nun folgenden Geschehen gegeben werden. Er stand in einer Ausnahmesutuation, und es ist nicht sicher, ob er überhaupt über den Widerstand und die vershanzten deutschen Soldaten umfassend informiert war. Außerdem hätte es nicht in seiner Macht gestanden, deren Widerstand zu verhindern. Bei einer anderen Aussage hätte er womöglich Vergeltung von den deutschen Soldaten zu erwarten gehabt und wegen Verrats sein eigenes Leben aufs Spiel gesetzt. Die Schuld an den tragischen Ereignissen um Breitenbrunn trägt General a.D. Gaul. Er hatte als Berufssoldat die Erfahrung, die Frontlage richtig einzuschätzen und die Sinnlosigkeit des Widerstandes im Voraus zu sehen.

Wo leisteten wie viele deutsche Soldaten Widerstand ?

Die regulären deutschen Truppen hatten sich in jenen Tagen längst zurückgezogen. Nur noch versprengte Soldaten von der Westfront strömten durch Maintal und Südspessart nach Osten hin. Der pensionierte General Gaul aus Reistenhausen, der den "Volkssturm" in unserer Gegend organisieren sollte, sammelte einige dieser Soldaten und glaubte, mit ihnen der amerikanischen Übermacht Widerstand leisten zu können. Er wurde jedoch vom Tempo des amerikanischen Vormarschs überrollt und konnte nur noch versuchen,das Breitenbrunner Seitental zu verteidigen, weil die Amerikaner das Maintal schon besetzt hatten. Er setzte sich am Ostersonntag dort am Waldrand des Hohberges fest. Einige seiner Männer verschanzten sich auch im Gelände vor dem Friedhof und links und rechts der Straße nach Stadtprozelten. Eine weitere kleine Gruppe soll sich an der Südostseite des Grohberges 100 m unterhalb des Bildstockes am Weinweg in Schützengräben befunden haben, um von dort den Fuhrweg von Faulbach her kontrollieren zu können. Die Zahlenangaben, die man von der Bevölkerung erhält, schwanken stark. Von den meisten wird die Zahl 30-40, die Marquard nennt, als zu niedrig angesehen. Es ist dieses aber die einzige schriftliche Quelle, die Angaben darüber macht, und durch die Zeit, die seitdem vergangen ist, müssen persönliche Erinnerungen, gerade in einer solchen Ausnahmelage, mit Vorsicht gesehen werden. Es ist aber durchaus möglich, dass Marquard aufgrund seines Standortes nur einen Teil der Soldaten bemerkt aht und daß so zusätzlich mit den Soldaten, die ihren Weg durchs Oberdorf wählten, auch eine Zahl von 80-100 als möglich erscheint, aber nicht als sicher anzunehmen ist.

Der nächtliche Artilleriebeschuss

Die ganze Nacht über wurde Breitenbrunn nun beschossen. Die Geschütze sollen bei der Brasselburg und bei Dorfprozelten gestanden sein. Vor Mitternacht war es Trommelfeuer. Dann schlugen die ganze Nacht über im Abstand von 10-15 Minuten Artilleriegranaten ein. Die meisten Geschosse gingen über die Gemeinde hinweg, doch viele schlugen auch im Dorf ein und zerstörten zahlreiche Gebäude.

Die Einnahme Breitenbrunns am Ostermontag

Sobald es hell wurde, also zwischen 6 und 7 Uhr, begannen die Amerikaner unter starkem Trommelfeuer mit dem Einmarsch in den Ort. Sie tasteten sich auf der Strasse von Stadtprozelten sowie links und rechts davon vor lieferten sich Gefechte mit den dort liegenden deutschen Verteidigern. Auch in der Hauptstrasse des Ortes waren noch vereinzelte Schusswechsel zu hören. Die amerikanischen Soldaten holten die Leute aus den Kellern. sie schickten die Menschen zu deren eigener Sicherheit nach Stadtprozelten. Vielleicht hatten sie die Gefahr wegen des zu erwartenden Widerstandes kritischer beurteilt. Die Bewohner aus dem Oberdorf mussten sich sammeln und durften nach einiger Zeit, als die US-Truppen sicher waren, daß die Gefahr vorüber sei, wieder in ihre Häuser zurückkehren. Bei der Einnahme hatten die Amerikaner, die nun sehr vorsichtig vorgingen, Spreng- und Brandsätze in einige Häuser an der Strasse geworfen, um jegliche Gefahr durch dort befindliche Verteidiger für sich auszuschließen. Diese Häuser wurden nun von den Teilen der Bevölkerung, die dageblieben waren, gelöscht und so noch größere Schäden verhindert.

Die Opfer

Bei den Kämpfen kamen drei deutsche Verteidiger ums Leben. Es handelte sich bei den Gefallenen um Alfred Franger (Jg. 1909) aus Oppenau bei Ludwigshafen, Fritz Gall (Jg. 1920) aus Altdam bei Stettin und Karl Knörzer (Jg. 1902) aus Mannheim. Außerdem mußten zwei amerikanische Soldaten bei den Kämpfen ihr Leben lassen. Zahlreiche Soldaten, sowohl deutsche als auch amerikanische, wurden verwundet und mussten auf dem Verbandsplatz in Stadtprozelten versorgt werden. Darunter war auch General a.D.Gaul. Aus Berichten von Zeitzeugen ist zu entnehmen, dass es auch zwei Verletzte aus der Zivilbevölkerung gegeben haben soll, Emilia Roth und der aus dem Rheinland evakuierte Matthias Neiges. Sie sollen jedoch durch deutsches Feuer verletzt worden sein.

Die Schäden

Durch den nächtlichen Artilleriebeschuss und durch die amerikanischen Brandsätze wurden insgesamt 19 Gebäude in Breitenbrunn zerstört. Die Angaben darüber schwanken in den einzelnen Berichten leicht. Es waren etwa 74 Wohnhäuser und 12 Scheunen. Weiteres wurde durch den Löscheinsatz der dagebliebenen Bevölkerung verhindert. Jedoch waren bei vielen weiteren Gebäuden kleinere Schäden entstanden. Auch die Kirche und das Pfarrhaus hatten Treffer erhalten. Zusätzlich war einiges an Großvieh verendet. Einen Überblick über die Gesamtsumme der Schäden gibt eine Liste der Gemeinde, in der die 21 Geschädigten Anträge auf Darlehen zum Wiederaufbau beim Landratsamt Marktheidenfeld stellten. Die Gesamtschadensumme läßt sich mit etwa 134.000 Mark nach damaliger Kaufkraft beziffern.


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